Die Wortfinder. Gedicht "Das alte Wort"
- Unendliche Liebe unseres Erlösers Jesus Christus -
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Gedicht:
„Das alte Wort“
„Am Fenster bin ich oft gestanden
In lauer Frühlingsnacht
Und hab mich staunend hinausgelehnt
Und heimlich gejauchzt und mich still gesehnt.
Ich meinte, mein Herz wär nun erst erwacht,
Hätte geschlafen lang und tief,
Bis es der Frühling zum Leben rief
Mit seinem geheimnisvollen Locken.
Leise webte es im Geäst
Und zarte weiße Blütenflocken,
Hergetragen vom sanften West,
Streiften schmeichelnd mein Haar.
Und ein Wort auf jeder geschrieben war,
Ein schimmerndes, geheimnisreiches.
Und auf den Bäumen ringsumher,
Auf jedem Wellchen im Blättermeer,
Auf jedem Grashalm, auf jeder Blume
Im weiten Lenzesheiligtume
Las ich mit bebendem Herzen ein gleiches:
Las Liebe, nichts als Liebe.
Und wieder ist eine laue Nacht.
Der Garten schimmert in Frühlingspracht
Auf meiner einsamen Klosterzelle
Ruht dämmerweiß des Mondes Helle
Die Sterne leuchten so klar – so klar.
Und ich schaue in das Frühlingsweben –
Und ich schaue in mein eignes Leben –
Lächelnd sinn ich, was einstens war.
Nun hat sich mir die Ferne enthüllt,
Verschwommene Träume sind mir erfüllt.
Nur anders, ganz anders als ich gemeint,
Ungeahnt herrlicher und reicher.
Das Herz ward fester, die Hand ward weicher,
Die Augen haben sich klar geweint.
Doch eines blieb. O daß es mir bliebe
In alle Ewigkeit fort und fort!
Was les ich auf den zitternden Blättern,
Wie deut ich der Sterne goldne Lettern?
Das ist noch immer dasselbe Wort,
Das alte heilige Wort –
Ist Liebe, nichts als Liebe.“
(Schwester M. Regina Most, aus einem Gedichtband von 1923)